Findet Nemo – oder auch nicht.
Das Tierchen mit dem gewissen Extra. Fisch ist ohne Zweifel eine vielseitige Nährstoffquelle mit Potenzial zum Superfood. Doch kann man Fische ohne Bedenken essen? Und was sagt unsere Umwelt dazu?
Laut Statistik Austria essen wir in Österreich jährlich – und seit 10 Jahren unverändert – knapp 7,3 kg Fisch. In Relation zum Fleischkonsum, der 2019 pro Kopf bei rund 63 kg lag, recht gering. Dennoch zieht dieser Verzehr mehr Konsequenzen mit sich, als man möglicherweise wahrhaben möchte. Insbesondere, wenn man sich beim Einkaufen für importierte Meeresfische entscheidet. Aber von vorne: Was macht die Flossenträger so attraktiv? Abgesehen vom zarten und saftigen Fleisch liefert er hochwertiges Eiweiß zum Strukturerhalt des Körpers, Omega-3-Fettsäuren für unsere Herzgefäße und unser Gehirn, und Jod für eine leistungsfähige Schilddrüse. Außerdem ist Fisch leicht verdaulich. Der neue Ernährungstrend „Seaganismus“ hat diese Kompetenzen erkannt.
»Wenn Fische Algen fressen und damit Omega-3-Fettsäuren aufnehmen, und wir dann den Fisch essen, ist das ein Umweg.«
Versorgung mit Eiweiß
„Spinn mir doch kein Seemannsgarn!“ – Seaganismus kennzeichnet sich durch eine überwiegend pflanzliche Ernährung, in der jedoch – im Gegensatz zum Veganismus – nachhaltig gewonnene Fischereiprodukte erlaubt sind, um eine ausreichende Versorgung des Körpers mit Eiweiß und Omega-3 zu gewährleisten. Ein Hauptaugenmerk liegt auf Regionalität und Tierwohl. Punkto Regionalität passen die Empfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) nicht ganz dazu, da es hierzulande kaum fettreiche Seefische gibt. – Oder etwa doch? Doch! Es gibt Züchter, die sich beispielsweise dem Heranwachsen des Alpenlachs widmen. Dieser enthält die guten Omega-3- Fettsäuren, welche für unseren Körper eine anti-entzündliche Wirkung haben. Die Empfehlungen zum Verzehr von Fisch sind weltweit ähnlich bei etwa zwei Portionen (insgesamt zirka 200 Gramm) pro Woche. Die Einhaltung ist hingegen ökologisch, ethisch und für einige auch geschmacklich kaum vertretbar. Wo ist nun der Haken?
Missstände
Den Haken findet man nicht nur in den toten Fischen und dem Herzen unserer Umwelt, sondern auch in den Arbeitsbedingungen für alle, die in diesem Sektor tätig sind. 2015 wurden laut Global 2000 Thunfisch-Fabriken auf soziale Missstände untersucht. Bereits damals waren sehr oft „Rekrutierungsgebühren“ über mehrere hundert Euro zu leisten, um überhaupt eine Arbeitsstelle zu erlangen. Dazu kommt schlechte Versorgung in Krankenhäusern, Zwangsarbeit und natürlich Menschenhandel für die schwimmenden Fabriken, wo ein Weglaufen schwer möglich ist.
Auch in Österreich finden wir importierte Ware solcher Fabriken, was für Konsumentinnen und Konsumenten schwer erkennbar ist. Aber auch die Bedingungen für die Tiere sind kaum in Worte zu fassen. Immer häufiger wird Videomaterial veröffentlicht, wo zu sehen ist, dass Meerestieren lebend Organe entnommen werden, ohne vorhergehende Betäubung oder Tötung. Haie, Thunfische und andere Tiere werden lebend in Kisten sortiert, wo sie ersticken, was teilweise mehrere Stunden dauern kann. Ein Drittel der Meere ist bereits überfischt, fast zwei Drittel maximal genutzt.
»Die Bedingungen auf schwimmenden Fabriken sind kaum in Worte zu fassen.«
Ein Ökosystem funktioniert jedoch nur durch eine ökologisch intakte Symbiose. Dass dies momentan nicht der Fall ist, erkennt man an den wachsenden Todeszonen im Meer, wo der Sauerstoffgehalt des Wassers so weit absinkt, dass hier keine Tiere oder Pflanzen mehr leben können. Eine Bindung von Kohlendioxid durch Fauna und Flora ist demnach nicht mehr möglich und es kann von den Meeresorganismen kein Sauerstoff mehr produziert werden. Die Folgen sind für alle Erdbewohner fatal.
Bewusst kaufen
Fisch wird üblicherweise als gesundes Nahrungsmittel interpretiert.
Die Lösung findet sich darin, wieder ein gewisses Gleichgewicht herzustellen und auch auf Alternativen umzusteigen, die ökologischer und nachhaltiger sind. Beim Kauf von Fisch sollte auf gewisse Gütesiegel wie MSC, ASC oder Dolphin Safe geachtet werden. Neben den guten Nährstoffen finden wir auch Schadstoffe wie Quecksilber, Arsen oder Mikroplastik im Fischfleisch.
Ein Umdenken wird auf lange Sicht nicht ausbleiben können, sei es nun dem eigenen Körper oder der Umwelt zuliebe. Alternativen gibt es einige. Ölhaltige Samen und Öle selbst – wie etwa Leinöl – sind gute Quellen für Omega-3-Fettsäuren. Rapsöl, Walnuss(-öl), Sojaprodukte, Bio-Milchprodukte, grünes Blattgemüse wie Kohl, Spinat und Kohlsprossen sind ebenfalls eine gute Ergänzung zu einem nachhaltigen Fischkonsum. Ein gezielter Kauf regionaler und biologischer Produkte könnte ein erster Schritt in eine bessere Zukunft sein. Es gibt aber noch ein Produkt, das uns dabei eine gute Unterstützung sein kann.
Alge gut – alles gut
Bereits 2018 hat diese kleine unscheinbare Pflanze einen riesigen Boom erlebt. Sie ist Lebensretter in der Not. Man hat erkannt, dass sie ein kleiner Superheld ist. Algen wachsen überall, sogar in der Wüste, da sie keine Anzuchterde benötigen. Sie bieten eine natürliche Ressource mit vielen Anwendungsmöglichkeiten, wie beispielsweise als Lebens- und Futtermittel, für Kosmetika, Treibstoff und noch vieles mehr. Algen enthalten viel Eiweiß, Fettsäuren, Vitamine, Mineralien und hochwertige sekundäre Pflanzenstoffe. Des Weiteren kann man sie als Nahrungsergänzung anderen Lebensmitteln beimengen: Riegeln, Keksen, Salz oder Brot. Abfälle können durch Algen genauso reduziert werden, diese können in Biomasse umgewandelt werden und brauchen im Recyclingprozess vergleichsweise wenig Wasser.
Wer Algen einmal ausprobieren möchte, sollte auf die Verzehrempfehlungen, Zubereitung, die Seriosität des Herstellers und einen nicht zu hohen Jodgehalt achten. Wie sagt man so schön: „Probieren geht über Studieren.“ Also: Auf die Alge, fertig und los!
Dieser Beitrag erschien erstmals im momag