Aliosha Biz.
Der virtuose Violinist ist zuhause in der jüdischen Klezmer-Musik, der Weltmusik und überall dort, wo sich spannende musikalische Begegnungen ergeben. Als Sohn geflüchteter österreichischer Juden wurde er in Moskau geboren und kam 1989 nach Wien. Also reichlich politisch inkorrekter Stoff für ein unterhaltsames Musikkabarett des „Fiddlers ohne Ruf“. Am 1. März 2024 in der Melker Tischlerei zu sehen!
Interview einmal ein wenig anders: Auf dem Weg von Linz nach St.Pölten.
Man kennt dich als Musiker, du bist aber auch DJ. Wann hattest du die Idee, Kabarett zu machen?
Ich wollte das schon immer. Als Bub war ich immer der Kleinste in der Klasse, trug eine Brille und war somit Zielscheibe. Um nicht als solche zu enden, muss man ein Alleinunterhalter sein. Man muss von Anfang an Schmäh führen, dann bist du der „Kasperl vom Dienst“ und schon ist es egal, wie du aussiehst, wie klein du bist oder wie dick deine Brille ist. Dann bist du der Held, der alle unterhält. Und! – Ein sehr angenehmer Nebeneffekt: Die Mädchen schauen dich dann auch an, obwohl sie das normalerweise bei solchen Nerds niemals tun (lacht). Wenn du dann gut gelungene Wuchteln unterbringst, dann sagen sie: „Der ist irgendwie süß.“
War das auch der Grund, mit Musik anzufangen?
Nein, das haben meine Eltern für mich beschlossen. Beide sind Filmemacher und wollten aus irgendeinem Grund nicht, dass ihr Sohn irgendwas mit Film zu tun hat. Irgendein Nachbar, der kundig war, meinte: „Ihr Sohn hat ein musikalisches Gehör.“ Und schon war meine Geige da: „Übe brav. Übe sehr brav! Übe mehr. Sei besser als andere. Denn einen Malus hast du ja schon: Du bist Jude! Also musst du schauen, dass du besser bist, dass du es vielleicht irgendwann einmal schaffst, aus diesem bescheuerten Land rauszukommen.“ (lacht) Wenn man das einem 6-Jährigen sagt, ist das vielleicht nicht so gut für die Psyche, aber nützlich war es allemal.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Weitere InformationenWann hast du begonnen, am Kabarettprogramm zu schreiben?
Ideen sammle ich, seit vor mir ein Mikrofon stand. Ich war ja Klassisch ausgebildet und das war wahnsinnig fad. Ich kam nach Wien auf die Musikhochschule und es hat genauso ausgesehen, wie ich es aus der Sowjetunion kannte. Mit dem Unterschied, dass draußen auch Leben ist (lacht) und die Leute Spaß haben. Gott sei Dank habe ich mich verleiten lassen, bei einem Klezmer-Projekt und einem Rembetiko-Projekt mit einer griechischen Band mitzumachen. Da stand dann ein Mikrofon und ich dachte: „Wie war das nochmal mit Wuchteln unterbringen?“ 1993 konnte ich Deutsch schon so weit, dass ich auch schon ein paar Schmähs produzieren konnte. Also habe ich zwischen den Liedern irgendeinen Blödsinn geredet. Als irgendwann die „kritische Masse“ erreicht war, meinten befreundete Kabarettisten: „Jetzt setz dich endlich mal hin und schreib das auf.“ Also hab’ ich dann die Corona-Zeit genutzt und das Programm geschrieben.
»Meine Russland-bezogenen Schmähs waren plötzlich Stoff für Tragödien.«
Gab es auch Sachen, die du wieder rausnehmen musstest?
Am Anfang gar nicht. Das war ein „All in“ von allem, was ich im Kopf hatte. Später hat das Weltgeschehen begonnen, mir ins Programm zu pfuschen. Alle meine Russland-bezogenen Schmähs waren plötzlich Stoff für Tragödien. Das ging einfach überhaupt nicht. Also habe ich das alles umgeschrieben und umso mehr den jüdischen Teil im Programm vergrößert. Dann kam der 7. Oktober und alles was darauf folgte. Ich wollte noch einmal alles umschreiben. Doch dann dachte ich: „Nein, jetzt nicht! Weil all das, was da gerade passiert, mich wahnsinnig trifft – mich persönlich trifft.“ Und zwar beides! Also entweder werde ich verrückt, gehe an diesen Tragödien zugrunde, oder ich behalte mir mein Recht, darüber lachen zu können. Und die Leute ebenso zum Lachen zu bringen, ob sie es wollen oder nicht. Wir werden sehen, ob sie lachen wollen.
Beschwingt, aber auch ernst war das Gespräch.
Ist das Programm „politisch korrekt“?
Überhaupt nicht! Es ist politisch so inkorrekt, dass es gar nicht schlimmer geht. Auf der Kabarettbühne hat Political Correctness nichts verloren, da kann man vieles sehr wohl auf den Kopf stellen. Ich halte zum Beispiel nicht aus, wenn man „jüdische Menschen“ sagt. Oder „jüdische Mitbürger“, „Bürger mit Migrationshintergrund“. Ich sag dann gerne: „Ich bin ein Bürger mit MigrationsVORDERgrund.“ (lacht) Auch der Begriff „POC“! (Person of Color, Anm. von Petra) Mein Kollege Christoph Spörk, ebenso Kabarettist und Musiker, ist mit einer Kubanerin verheiratet und er hat es auf den Punkt gebracht: Er möchte für seine Kinder kein Acronym verwenden müssen. Seine Kinder sind einfach seine Kinder und sie haben eine Mutter, die nicht in Österreich geboren wurde. Aus. Alles andere ist Rassismus.
»Nach der Premiere hat das Weltgeschehen begonnen, mir ins Programm hineinzupfuschen.«
Ist Humor eine gute Antwort auf diese Art von Krisen?
Die einzige! Also für einen Menschen, der auf der Bühne steht, absolut die einzige. Auch wenn es todernst ist. Ich bin ja auch nicht der Erste, der damit angefangen hat. Denken wir nur an Charlie Chaplin oder Mel Brooks. Hitler und Faschismus ist wohl das Widerlichste, was uns im 20. Jahrhundert widerfahren ist. Und am besten behandelt haben es die, die das alles lächerlich gemacht haben. Die das durch den Kakao gezogen haben. Das war und ist der radikalste Antifaschismus, den man sich vorstellen kann.
Musst du, weil du auf der Bühne stehst, nicht noch mehr aufpassen, was du sagst und wie du es sagst? Gibt es auch Leute, die negativ reagieren?
Ja, ein paar Leute haben sich aufgeregt. Lustigerweise hat sich eine Jüdin darüber aufgeregt, dass ich einen Israeli kritisiert habe, der sich darüber aufgeregt hat, dass meine Kinder nicht jüdisch sind. Ich habe seine Attitüde mit den Nürnberger Rassengesetzen verbunden. Gut, das ist schon ein bisschen heftig, aber diesen umgekehrten Rassismus brauchen wir genauso wenig. Entschuldigung, aber warum muss er sich darüber aufregen, wie und was meine Kinder sind oder nicht sind? Und meine Kinder sind so schön blond, so richtig schön arisch. Er meinte: „Ich gehe davon aus, dass deine Mätresse nicht jüdisch ist?“ Ich antwortete darauf: „Nein, aber sie ist jung, wunderschön und gesund!“ Die Antwort hat gesessen.
»Vor mir darf jeder jeden Witz erzählen. Ich entschuldige mich auch bei keinem Burgenländer für einen Burgenländerwitz.«
Zum Titel deines Programms: „Der Fiddler ohne Ruf“. Kannst du das näher erklären?
„The Fiddler on the Roof“ ist ja ein Musical und da habe ich oft die Titelrolle, Anatevka, gespielt. Schon damals, als ich es zum ersten Mal gespielt habe, habe ich dieses Wortspiel erfunden. So kommt man ziemlich bald drauf, worum es im Programm geht und muss gar nicht erklären, dass es ein jüdisch angehauchtes Kabarett ist. Der Name ist Programm.
Gibt es ein Thema, das du trotzdem nie angreifen würdest?
Viele. Nicht, weil ich Angst davor habe, sondern weil ich keine Ahnung davon habe. Ich rede nur von Sachen, die mir irgendwie nahe gehen und wo ich glaube, dass ich dazu befähigt bin, darüber zu reden und Witze zu machen.
Einmal angenommen: Ich, nicht jüdisch, geborene Österreicherin, würde einen Judenwitz machen…
Ist für mich überhaupt kein Problem!
Für uns Österreicher ist das aber doch eher ein Problem.
Ja, das ist für manche ein Problem. Dann sagen sie: „Hach! Wie können Sie nur!“ Ich kann natürlich nicht für alle sprechen. Ich spreche jetzt nur für mich. Ich würde sofort erkennen, ob dieser Witz antisemitisch gemeint ist, oder es einfach ein leiwander Witz ist. Vor mir darf jeder jeden Witz erzählen. Ich meine, ich entschuldige mich auch bei keinem Burgenländer für einen Burgenländerwitz. Normalerweise ist für mich so etwas sogar ein Test. Wenn ich einen Burgenländer vor mir habe und mit ihm ein Bier trinke, erzähle ich immer einen – eher expliziten – Burgenländerwitz, um zu schauen, wie der Mensch reagiert. Wenn er einfach lacht, weiß ich, dass wir uns gut verstehen werden. Ist er brüskiert, dann ist es besser, man geht getrennte Wege. Die meisten Burgenländerwitze sind aber auch sehr liebevoll. Und ich liebe das Burgenland.
Ich verstehe. Niederösterreicher und Wiener lieben sich ja auch…
Die Niederösterreicher sind mir sowieso die Liebsten. Weil ich schließlich auch ein Wahl-Niederösterreicher bin. Da habe ich einen Nebenwohnsitz. Ich werde auch akzeptiert! Mein Auto hat ein Wiener Kennzeichen und ich war mit meiner Familie zur Coronazeit ausschließlich in Niederösterreich. Mein Auto war das einzige ohne Parkschäden. Ich werde akzeptiert. Hahaha!